Typologie der Texte des Rostocker Liederbuchs

Einführende Bemerkungen

Die typologische Einordnung der Texte des "Rostocker Liederbuchs" erfolgt auf zweifache Weise. Zunächst werden die weltlichen sanglichen Stücke der Handschrift gruppiert und folgenden Registern zugeordnet, die sie mit den unterschiedlichen (Haupt-)Traditionssträngen spätmittelalterlicher weltlicher Liederbuchlyrik in Verbindung setzen:

  • Register I: Werbelied (und Verwandtes)
  • Register II: Tagelieder / Pastourellen
  • Register III: contre textes / Schwanklieder
  • Register IV: Gebrauchslyrik zum Tanz und zum geselligen Trinken
  • Register V: informierende oder belehrende Liedtypen

Die Registerzuordnung der einzelnen Lieder finden Sie auf den dazugehörigen Textseiten. Für genauere Informationen zu den Registern spätmittelalterlicher Liederbuchlyrik vgl. Holznagel 2013.

Des Weiteren werden alle Texte des "Rostocker Liederbuchs" auf der Grundlage ihres Inhalts klassifiziert. Diese Typologie wurde im Zuge der Arbeiten an der Neuedition entwickelt und trennt die Texte zunächst prinzipiell nach ihrer Sangbarkeit und berücksicht dann – anders als bei der Registerzuordnung – auch die geistlichen Lieder und eben auch Nichtsangliches.

Eine Übersicht über die Typologie aller Texte der Handschrift wird im Folgenden gegeben, die Einzelzuordnung findet sich wiederum auch auf den Unterseiten der Texte.

Typologie der Texte des Rostocker Liederbuchs

1 Sangbare Texte

1.1 Moraldidaktische Lieder: Nr. 2, 24

1.2 Historisch-politische Lieder: Nr. 3–5, 11, 58, 60 [lat.] [Bearbeitung einer Motette aus dem "Roman de Fauvel", die in der Forschung Philippe de Vitry zugeschrieben wird]

1.3 Liebeslieder in den klassischen Genres:
1.3.1 Werbelieder, Sehnsuchtsklagen, Liebesbeteuerungen, Minnelehre: Nr. 1/38a, 7–8, 14, 17 [tongleich mit Nr. 16: vgl. Punkt 1.3.3] 18, 20, 22, 35, 43 [lat.-dt.], 44, 45, 46, 52, 53
1.3.2 Abschiedsklage: Nr. 50
1.3.3 Pastourellenartiges/Tagelieder: Nr. 16 [lat.; tongleich mit Nr. 17], 19 [Oswald von Wolkenstein Kl 101], 34, 54, 57 [vgl. auch 1.4.1]
1.3.4 Tanzlieder/Rundgesänge: Nr. 37, 51 [lat.]
1.3.5 Mädchenlied: Nr. 10

1.4 Ironisierungen und Brechungen der klassischen Genres
1.4.1 Umkehrung des traditionellen Schönheitspreises: Nr. 57 [mit Anklängen an die Tagelied-Tradition]
1.4.2 Schwanklieder: Nr. 15, 26, 33 [mit Anklängen an die Tradition des Einlassliedes (Serena)], 36 [mit Anklängen an die Tradition des Einlassliedes (Serena)], 49 [nur als Anfangsstrophe]
1.4.3 Derb-erotische Lieder, die mit eindeutiger Sexualmetaphorik arbeiten: Nr. 28 [dt.-lat.], 38
1.4.4 Malmariée-Lied (Lied eines alten Ehemannes): Nr. 21
1.4.5 Absagelieder: Nr. 23, 56

1.5 Trinklieder: Nr. 13, 48 [evtl. auch 51 – vgl. 1.3.4]

1.6 Witz- und Necklieder (ohne direkt erkennbaren erotischen Hintersinn): Nr. 47, 55

1.7 Geistliche Lieder: Nr. 6 [Mittelniederdeutsche Kontrafaktur zum Hymnus "Corde natus ex parentis"], 9 [Mönch von Salzburg Spechtler G 42, der sog. "Tischsegen"], Nr. 40–42 [lat. Mariencantiones]

2 Nicht-sangliche Texte

2.1 Autoritätensprüchein Reimpaarversen [Niederdeutsche Übertragung der "Quinquaginta bona proverbialia documenta philosophorum et sapientium"]: Nr. 12

2.2 Reimpaarsprüche: Nr. 25, 29–31 [Sentenzartige Reimpaartexte von 4, 6 oder 8 Zeilen; die Nr. 30 ist deutlich von Freidanks "Bescheidenheit" angeregt worden]

2.3 Derb-erotischer Frauenpreis in Reimpaarversen (?): Nr. 32 [fast ganz getilgt]

2.4 fünf lateinische prosaische Tropen: Nr. 39

2.5 Prosastück [Bericht über die Kirchen von Rom und ihren Ablass in Prosa; es handelt sich um eine niederdeutsche Version der "Indulgentiae ecclesiarum urbis Romae"]: Nr. 59

2.6 Kurze Schwankerzählung in Reimpaarversen: Nr. 27