"[...] ghesant / syndal vnd gulden want"

Textinformationen

Nummer im RLB: 58 (Claussen: 52)

Blattnummer: 39r/v

Texttyp: Register V – Historisch-politisches Lied (1.2)

Inhalt: Historisch-politisches Lied; der Text vom "Rostocker Braten" bezieht sich vermutlich auf die sog. 'Rostocker Domfehde' (1479–1492). Bei dieser Domfehde handelt es sich um einen langjährigen, gewaltsamen Konflikt zwischen den Mecklenburger Herzögen, den Brüdern Magnus II. und Balthasar, und der Hansestadt Rostock. Er entzündet sich an dem Vorhaben Magnus II., gegen den massiven Widerstand der Stadt und trotz der Warnungen durch Vertreter der Universität die Kirche St. Jacobi zum Domkollegiatsstift zu erheben und diesem die drei anderen Rostocker Pfarrkirchen (St. Marien, St. Petri und St. Nikolai) zu inkorporieren.
Weitere Hinweise zu den hier referenzierten Ereignissen sowie Quellenverweise finden Sie hier.

Schreiberhand: 1; Hauptschreiber, Kursive, die Liedaufzeichnung ist deutlich als Nachtrag erkennbar

Autor: Keine Autorinformationen vorhanden.

Melodieaufzeichnung: Keine Melodie überliefert.

Notationstyp:

Textabdruck

Ranke/Müller-Blattau (1927) – S. 273 [81]f.

[. . . . .] [. . g]heſant,
ſyndal vnd gulden want
den peper albedille.
Gi le[uen].

Dar lopet ſo mannich pape to,
de deſſe braden ſolten.
En rok van lowa[nt . . . .]eme recht,
de ſulkes va〈l〉ſches rades plecht,
dar to en vuer van holte.
[wi]lhelmus, petrus vnd jehans
de hebben de braden ghemaket,
[. . . . . . .] ſprentze h[. . . . . . . . .]
[. . . . .]elſtorp ſumerman
de hebbet den braden koket.
Gi leuen roſtoker weſet [. . .].

[To] rostok wanet noch mannich man,
de deſſe braden wende:
he mochte be[. . . . . .]oken gan
vnd keren ſynen ſin dar van
vnd schudden ſine hende.
[. . . . . . . .] dropen up der vart,
he mot de braden betalen,
alſo mannich heft g[hedan]
[de to der b]raden is gheghan
van dorpen vnd van molen.
Gy leuen roſtker.

[. . . . . . .] korne ripe wert
al bauen in den aren
vnd in de ſchune voret [is]
[. . . . . . . .]erſchet, dat is wis,
ſo wert de brade ghare.
Se wert an [. . . . . . . . .]edan,
er ſe wert ghegheten,
vnd wert hen to roſtke ſant
ouer [. . . . . . . . . .]nt
to perden vnd ok to ſchepen.
Gy leuen roſtker weſet vro.

[To] roſtok vor der guden ſtat
wilt ſe de braden ſpecken
gi truwen borg[. . . . . . . . . . .
den a]uent ſpade vnd morghen vro,
dat gi er nicht en ſmecken.
G[. . . . . . . . . . .] wiſ
vnd waret iwe dore,
jwe bome vnd iwe ſlote
dat ſ[. . . . . . . . . . . .] eten:
des hebbe gi priſ vnd ere.
Gy leuen roſtker weſet.

[To] warnemunde vor der hauen,
dem nuwen roſengarden
[ . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . .] ſchade[n]
ik vruchte he wert noch ens vor rade[n]
al vnd[er] gude [. . . . . .]
Gi [. . . . . . . .]

[De] deſſen rey ghedichtet hat,
de is van junghen iaren;
to roſtok is [he wol bek]ant:
– ſyn vader vor dem alter ſanck –
mit ghelen kruſen har[en].
[god] mote ſyn ſtede huder ſyn,
wor he ſik henne wendet.
ſyne oghen [. . . . . . .]ht rechte ſien,
trumpen vnd ſeiden ſpil
voret he an ſinen henden.
G[i leuen].

Claussen (1919) – S. 67–70

[.......................................]
[.......................................]
[.......................................]
[.......................................]
[.......................................]
[.......................................]
[.......................................]
[.........................] gheſant
Syndel vnde gulden want
Den peper ok vendille.

Gi le[ve Roſtker wes vro,]
Dar lopet ſo mannich papen to,
De deſſe braden ſoden.
En rok van lowa[ndel dar] me richt,
De ſulkes viſſches rades plicht,
Dar to en vür van hol[te],
[Wil]helmus, petrus vnde Jehann
De hebben den braden ghemaket,
Peter ſprentze h[er ka]velſtorp ſummerman
De hebben den braden kaket.

Gi leve roſtoker wes [vro],
[To] roſtok wanet noch mannich man,
De deſſe braden waket
He mochte bi[tiden] ſoken gan
Unde keren ſynen ſin dar van
Vnde ſchudden ſine hende
[.......] dropen up der vart
He mot de braden betalen.
Alſo mennich heft gh[edan]
[.......]den is gheghan
Van dorpen vnde van molen.

Gy leven roſtker [weß vro,]
[Dat iuwe] korne ripe wert
Al baven in den aren
Unde in de ſchune varet
[.......]ſchet dat is wis,
So wert de brade gare,
Se wert an[......]dan
Er ſe wert ghegheten
Unde wert hen to roſtke ſant
Over [de zee vnde over la]nt
To perden vnde ok to ſchepen.

Gy leven roſtker weß vro,
[To Roſto]ck vor der guden ſtat
Wilt ſe de braden ſpecken
Gi truwen borg[ers.....]
[.......]mer ſpade vnde morghen vro,
Dat gi er mochten ſmecken.

G[y leven Roſtker] wis vro
Vnde waret iuwe dore,
Juwe bome vnde iuwe ſlote
Dat ſ[......] eten
Des hebbet gi pris vnde ere.

Gi leve roſtker weß [vro]
Warnemunde vor der haven
Dem nuwen roſengarden
[...............................]
[...............................]
[...............................]
[...............................]
[................]ſchade
Jck vruchte he wert noch ens vorrade
Al vnde gude [............].

[De uns] deſſen rey ghedichte het,
De is van iunghen jaren
To roſtok is he [wol bek]ant,
Syn vader vor dem alter ſanck
Mit ghelen kruſen haren.
[Dat] mote ſyn ſtede huden ſyn,
Wor he ſick henne wendet,
Syne oghen [gheven] rechte ſcin,
Trumpen vnde ſeiden ſpil
Voret he in ſinen henden.

Sprachstand

H/N

Der Sprachstand von Lied Nr. 58 ist mittelniederdeutsch mit einem Nebeneinander von ost- und westniederdeutschen Varianten. Ganz vereinzelt finden sich hochdeutsche Formen.

Typisch für die ostnd. Dialekte sind Formen, die den Einheitsplural der Verben im Präsens Indikativ mit dem Flexiv -en bilden, wie hier solten 'salzen' (V. 6) und hebben 'haben' (V. 11). Als nordnd. Charakteristikum, das auch auf die ostnd. Varietäten an der Ostseeküste zutrifft, gilt überdies die a-Schreibung zur Realisierung des tonlangen o, die in RLB 58 mit den Varianten wanet 'wohnt' (V. 16) und bauen 'oben' (V. 28) belegt werden kann. Den genannten Befunden stehen jedoch westnd. Formen gegenüber, und zwar einerseits koket 'gekocht' (V. 16) und ouer 'über' (V. 35) mit o-Graphie für das o nach der Tondehnung und andererseits die verbale Variante hebbet 'haben' (V. 14) mit der Endung -et. Die Pronominalvariante iwe/jwe 'eure' (V. 44, 45) galt sowohl östlich als auch westlich der Elbe, wovon lediglich das Ostf. auszunehmen ist.

Zu den hd. Merkmalen in RLB 58 sind lediglich die finiten Verbformen hat 'hat' (V. 60) und syn 'sein' (V. 65) sowie das Adjektiv nuwen 'neuen' (V. 50) zu zählen.

Liste der Kennformen

V. 6 desse 'diese' Nordniederdeutsch, Nordwestfälisch (Peters 4.5.4.1.)
V. 6 solten 'salzen' Ostniederdeutsch (Peters 2.1.1.)
V. 11 hebben 'haben' Ostniederdeutsch (Peters 2.1.1.)
V. 14 hebbet 'haben' Westniederdeutsch (Peters 2.1.1.)
V. 14 koket 'gekocht' Ostfälisch, Westfälisch (Peters 1.2.2.)
V. 16 wanet 'wohnt' Geldrisch-Kleverländisch, Nordniederdeutsch (Peters 1.2.2.)
V. 17 desse 'diese' Nordniederdeutsch, Nordwestfälisch (Peters 4.5.4.1.)
V. 28 bauen 'oben' Geldrisch-Kleverländisch, Nordniederdeutsch (Peters 1.2.2.)
V. 29 schune 'Scheune' Mittelniederdeutsch östlich der Weser (Peters 4.2.5.1.)
V. 35 ouer 'über' Ostfälisch, Westfälisch (Peters 1.2.2.)
V. 44 iwe 'eure' Nordniederdeutsch, Südmärkisch, Westfälisch (Peters 2.4)
V. 45 jwe 'eure' Nordniederdeutsch, Südmärkisch, Westfälisch (Peters 2.4)
V. 45 iwe 'eure' Nordniederdeutsch, Südmärkisch, Westfälisch (Peters 2.4)
V. 50 nuwen 'neuen' Hochdeutsch, Westen (Lasch § 187)
V. 60 dessen 'diesen' Nordniederdeutsch, Nordwestfälisch (Peters 4.5.4.1.)
V. 60 hat 'hat' Hochdeutsch
V. 62 wol 'wohl' Nordniederdeutsch, Ostfälisch (Peters 4.6.4.4.)
V. 65 syn 'sein' Hochdeutsch (Peters 2.1.10.3.)
V. 66 wor 'wo' Nordniederdeutsch (Peters 4.6.1.1.)

Einspielungen

Keine Einspielungen vorhanden.

Parallelüberlieferung

Keine Parallelüberlieferung bekannt.

Literatur

Classen, Albrecht: Deutsche Liederbücher des 15. und 16. Jahrhunderts. Münster [u.a.] 2001 (= Volksliedstudien. 1). S. 269–270, 275.

Claussen, Bruno: Über den Fund eines niederdeutschen Liederbuchs aus dem Ende des 15. Jahrh. in Rostock. In: Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. 35. 1915. 2/3. S. 18–24, hier: S. 21, 24.

Claussen, Bruno (Hrsg.): Rostocker niederdeutsches Liederbuch vom Jahre 1478. Herausgegeben von Bruno Claussen mit einer Auswahl der Melodien bearbeitet von Albert Thierfelder. Buchschmuck von Thuro Balzer. Rostock 1919. S. VIII, 67–70, 78–79 A. 52.

Daebeler, Hans Jürgen: Musiker und Musikpflege in Rostock von der Stadtgründung bis 1700. Dissertation der Hohen Philosophischen Fakultät der Universität Rostock. Rostock 1966. S. 182, 184–190.

Hergemöller, Bernd-Ulrich: "Pfaffenkriege" im spätmittelalterlichen Hanseraum. Quellen und Studien zu Braunschweig, Osnabrück, Lüneburg und Rostock. Köln / Wien 1988 (= Städteforschung. Reihe C: Quellen. 2). Bd. 1, S. 340.

Heydeck, Kurt: Die mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Rostock. Beschrieben von Kurt Heydeck. Wiesbaden 2001 (= Kataloge der Universitätsbibliothek Rostock. Erster Band: Die mittelalterlichen Handschriften). S. 131.

Hingst, Alfred: Musiklehre und Musikleben an der Universität Rostock von ihrer Gründung 1419 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Dissertation eingereicht der gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät des Wissenschaftlichen Rates der Universität Rostock. Rostock 1970. S. 154, 156.

Holtorf, Arne: 'Rostocker Liederbuch'. In: Ruh, Kurt / Wachinger, Burghart (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begründet von Wolfgang Stammler, fortgeführt von Karl Langosch. Unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter herausgegeben von Kurt Ruh zusammen mit Gundolf Keil, Werner Schröder, Burghart Wachinger, Franz Josef Worstbrock. 2., völlig neu bearb. Aufl. Berlin / New York 1978–2008. Bd. 8. Sp. 253–257, hier: Sp. 255.

Holznagel, Franz-Josef / Möller, Hartmut: Ein Fall von Interregionalität. Oswalds von Wolkenstein "Wach auf, mein hort" (Kl 101) in Südtirol und in Norddeutschland. In: Tervooren, Helmut / Haustein, Jens (Hrsg.): Regionale Literaturgeschichtsschreibung. Aufgaben, Analysen und Perspektiven. Berlin 2003. S. 102–133, hier: S. 106 A. 13.

Holznagel, Franz-Josef: Das 'Rostocker Liederbuch' und seine neue kritische Edition. Unter Mitarbeit von Andreas Bieberstedt, Udo Kühne und Hartmut Möller. In: Niederdeutsches Jahrbuch. 133. 2010. S. 45–86, hier: S. 45 A. 1,46 A. 3, 50 A. 21, 54, 57 A. 43.

Holznagel, Franz-Josef: Rostocker Liederbuch. In: Kühlmann, Wilhelm (Hrsg.): Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. 2., vollst. überarb. Aufl. Berlin / Boston 2008–2102. Band 10. 2011. S. 35–36, hier: S. 35–36.

Lietz, Hanno (Hrsg.): Bruno Claussen an der Universitätsbibliothek Rostock. 1912–1949. Rostock 1995 (= Veröffentlichungen der Universitätsbibliothek Rostock. 121). S. 57.

Möller, Hartmut: Das Rostocker Liederbuch. Aktuelle Perspektiven der Forschung. In: Ochs, Ekkehard (Hrsg.): Studien zur lokalen und territorialen Musikgeschichte Mecklenburgs und Pommerns. Im Auftrag des Landesmusikrates Mecklenburg-Vorpommern e.V. herausgegeben von Ekkehard Ochs. II. Greifswald 2002. Bd. 2. S. 107–111, hier: S. 110.

Ranke, Friedrich / Müller-Blattau, Joseph M. (Hrsg.): Das Rostocker Liederbuch nach den Fragmenten der Handschrift neu herausgegeben von Friedrich Ranke und J. M. Müller-Blattau. Halle (Saale) 1927 (= Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft. Geisteswissenschaftliche Klasse. 4. Jahr. Heft 5), S. 194–195, 197–200, 273–274, 288–290.

Salmen, Walter: Das 'Rostocker Liederbuch'. Eine Standortbestimmung. In: Heller, Karl / Möller, Hartmut / Waczkat, Andreas (Hrsg.): Musik in Mecklenburg. Beiträge eines Kolloquiums zur mecklenburgischen Musikgeschichte veranstaltet vom Institut für Musikwissenschaft der Universität Rostock, 24.–27. September 1997. Mit einer Zeittafel und einer Auswahlbibliographie zur mecklenburgischen Musikgeschichte. Hildesheim / Zürich / New York 2000. S. 109–128, hier: S. 118.

Schnitzler, Elisabeth: Das geistige und religiöse Leben Rostocks am Ausgang des Mittelalters. Berlin 1940 (= Historische Studien. 360). S. 76–77.

Schobess, Rainer: Das Rostocker Liederbuch – eine niederdeutsche Handschrift aus dem 15. Jahrhundert. In: Kellermann, Gesine (Hrsg.): 36. Bevensen-Tagung. 16. bis 18. September 1983 in Bad Bevensen. Bad Bevensen 1984. S. 14–25, hier: S. 22.

S[chröder], E[dward]: Rezension zu: Rostocker Niederdeutsches Liederbuch vom Jahre 1478. herausgegeben von Bruno Claussen, mit einer auswahl der melodien bearbeitet von Albert Thierfelder, buchschmuck von Thuro Balzer. Rostock, Hinstorff 1919. In: Anzeiger für deutsches Altertum und deutsche Litteratur. 40. 1921. S. 149–151, hier: S. 149.

S[eelmann], W[ilhelm]: Rezension zu: Rostocker Niederdeutsches Liederbuch v. J. 1478. Hrg. von Bruno Claussen. Mit einer Auswahl der Melodien bearb. von Alb. Thierfelder. Rostock, Hinstorffs Hofbuchdruckerei 1919. In: Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. 37. 1919/1921. S. 64.

Spiewok, Wolfgang: Das "Rostocker Liederbuch". In: Almanach für Kunst und Kultur im Ostseebezirk. 9. 1986. S. 65–70, hier: S. 68.

Spiewok, Wolfgang: Das Rostocker Liederbuch. In: Spiewok, Wolfgang / Buschinger, Danielle (Hrsg.): Mittelalter-Studien II. Göppingen 1989. S. 310–321, hier: S. 316.

Spiewok, Wolfgang: Das Rostocker Liederbuch. In: Spiewok, Wolfgang (Hrsg.): Mittelalterliche Literatur up plattdütsch. Greifswald 1998. S. 65–75, hier: S. 71.

Touber, Anthonius H.: Deutsche Strophenformen des Mittelalters. Stuttgart 1975 (= Repertorien zur deutschen Literaturgeschichte. 6). S. 40.