"Amor ist eyn lustlich walt"

Textinformationen

Nummer im RLB: 43 (Claussen: 36)

Blattnummer: 33v–34r

Texttyp: Register I – Werbelied (1.3.1)

Inhalt: Spätmittelalterliche Variante des Werbeliedes. Bei der Nr. 43 handelt es sich um einen lateinisch-deutschen Mischtext, bei dem sich deutsche und lateinische Verse nach dem Muster der sogenannten 'makkaronischen Poesie' abwechseln. Das Lied handelt von Amor, es preist die Macht der Minne und klagt über die "Cleffer", die Schwätzer, von denen die Liebenden mit Argwohn betrachtet werden.

Nummer im RLB: 43 (Claussen: 36)

Blattnummer: 33v–34r

Texttyp: Register I – Werbelied (1.3.1)

Inhalt: Spätmittelalterliche Variante des Werbeliedes. Bei der Nr. 43 handelt es sich um einen lateinisch-deutschen Mischtext, bei dem sich deutsche und lateinische Verse nach dem Muster der sogenannten 'makkaronischen Poesie' abwechseln. Das Lied handelt von Amor, es preist die Macht der Minne und klagt über die "Cleffer", die Schwätzer, von denen die Liebenden mit Argwohn betrachtet werden.

Textabdruck

Ranke/Müller-Blattau (1927) – S. 263 [71]f.

Aliud de amore.

V’ Amor iſt eyn luſtlich walt,
mentis, cordis eſt ſera.
Vil mennich dar by graw vnd alt
erit, gerit ſeuera.
   Omnia ſuppeditat:
   ze drift der kleffer ſmertze,
   ſenſum denſum floritat
   des hertzen gulden ertze.

V’ In weme ſe ſtete brynnet,
tutelam fert doloris.
Neyn trurent de by wynnet,
tenet ſcutum amoris.
   Omnia ſuppeditat,
   ſe drifft der etc.

V’ Cleffer an der houeſcheit
eum non cito ledit.
Id is dem hertzen doch eyn kreyt,
ſed wlnus ſane cedit.
   Wer klaffen wil al ſunder ſpil,
   non dignus eſt amari.
   der eren ſtil to breken wil
   eſt dignus [deturpari]

V’ Wesen ghemeyt vor kleffer kleyt,
hii querunt def[. . . . . . .]
Stete bereyt to houeſcheit:
ſic valent nil turpar[e]
   Wer klaffen wil al ſunder (ſpil),
   non dignus eſt amari;
   der eren ſtil to breken wil,
   eſt dignus deturpari.

Claussen (1919) – S. 59f.

Amor iſt eyn luſtlich walt,
Mentis, cordis est sera,
Vil mennich dar by graw vnde alt
Erit, gerit severa.
Omnia suppeditat,
Ze drift der kleffer ſmertze,
Sensum densum flectitat
Der hertzen gulden ertze.

Jn weme ſe ſtete brynnet,
Tutelam fert doloris,
Neyn trurent dar by wynnet,
Tenet scutum amoris.
Omnia suppeditat etc.

Cleffer an der hoveſcheyt
Eum non cito ledit,
Jd is dem hertzen doch eyn ſtreyt,
Sed vulnus sane cedit.
Wer klaffen wil al ſunder ſpil,
Non dignus est amari,
Der eren ſtil to brecken wil,
Est dignus [deturpari].

Weſen ghemeyt vor kleffer kleyt
Hic quaerit defaecare,
Stete bereyt to hoveſcheyt,
Sic valet nil repar[are].
Wer kleffen wil al ſunder (ſpil)
Non dignus est amari,
Der eren ſtil to breken wil,
Est dignus deturpari.

Sprachstand

L/H/N

Bei RLB 43 handelt es sich um einen lateinisch-deutschen Mischtext, wobei die volkssprachigen Textpassagen deutlich hochdeutsch geprägt sind.

Dies zeigt sich vor allem an der Verwendung der Graphie <tz> zur Realisierung der hd. Affrikata /ts/, wo im Mnd. der Plosiv /t/ stehen würde, und zwar bei smertze 'Schmerz' (V. 6) und hertzen 'Herzen' (V. 8, 17). Weitere hd. Varianten sind ist (V. 1), alt 'alt' (V. 3), stete 'stetig, stets' (V. 9, 25), brynnet 'brennt' (V. 9), Wer (V. 19, 27) sowie kleffer/Cleffer 'Klaffer, Schwätzer' und klaffen 'klaffen, schwätzen' (V. 6, 15, 19, 23, 27). Der Endreim brynnet-wynnet (V. 9, 11) legt überdies die Vermutung nahe, dass der Text hd. Ursprungs ist. Denn die Verwendung von bernet als mnd. Entsprechung des ersten Reimwortes ermöglichte im Gegensatz zur hd. Variante an dieser Stelle keinen reinen Reim.

Liste der Kennformen

V. 1 ist 'ist' Hochdeutsch (Peters 2.1.10.3.)
V. 3 alt 'alt' Hochdeutsch
V. 6 ze 'sie' Frühmittelniederdeutsch, Westen (Peters 1.4.6.)
V. 6 kleffer 'Klaffer' (Schwätzer, Verräter) Hochdeutsch
V. 6 smertze 'Schmerz' Hochdeutsch
V. 8 hertzen 'Herzen' Hochdeutsch
V. 8 ertze 'Erz' Hochdeutsch
V. 9 stete 'stetig' Hochdeutsch
V. 9 brynnet 'brennt' Hochdeutsch
V. 15 Cleffer 'Klaffer' (Schwätzer, Verräter) Hochdeutsch
V. 17 hertzen 'Herzen' Hochdeutsch
V. 19 Wer 'wer' Hochdeutsch
V. 19 klaffen 'klaffen' (schwätzen, verraten) Hochdeutsch
V. 23 kleffer 'Klaffer' (Schwätzer, Verräter) Hochdeutsch
V. 25 Stete 'stets' Hochdeutsch
V. 27 Wer 'wer' Hochdeutsch
V. 27 klaffen 'klaffen' (schwätzen, verraten) Hochdeutsch

Einspielungen

  • RLB 43: Amor ist ein lustlich walt

    RLB-Ensemble: Das Rostocker Liederbuch

  • RLB 43: Amor ist ein lustlik walt

    Ensemble Wendelin Mueller-Blattau: Goldene Lieder des Mittelalters

  • RLB 43: Amor ist eyn lustlich walt

    Ensemble fuer fruehe Musik Augsburg: Melancholia

  • RLB 43: Amor ist eyn lustlich walt

    Lilienthal: Rostocker Liederbuch

Parallelüberlieferung

Keine Parallelüberlieferung bekannt.

Literatur

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Holznagel, Franz-Josef: Rostocker Liederbuch. In: Kühlmann, Wilhelm (Hrsg.): Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. 2., vollst. überarb. Aufl. Berlin / Boston 2008–2102. Band 10. 2011. S. 35–36, hier: S. 36.

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Schobess, Rainer: Das Rostocker Liederbuch – eine niederdeutsche Handschrift aus dem 15. Jahrhundert. In: Kellermann, Gesine (Hrsg.): 36. Bevensen-Tagung. 16. bis 18. September 1983 in Bad Bevensen. Bad Bevensen 1984. S. 14–25, hier: S. 20.

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