"Dat scholde en monnick vnd eyne baghyne"
Textinformationen
Nummer im RLB: 27 (Claussen: 25)
Blattnummer: 24v–25r
Texttyp: Nichtsangliche Texte – Schwankerzählung in Reimpaarversen (2.6)
Inhalt: Schwankerzählung in Reimpaarversen. Mönch und Begine verständigen sich während des Beischlafs über ihre sexuellen Bedürfnisse, indem sie diese mittels eindeutig konnotierbarer, obszöner Vergleiche und Metaphern benennen. Die eigentliche Darstellung des Koitus erfolgt durch den Erzähler, jedoch ebenfalls auf der Grundlage der von den Figuren eingeführten indirekten Sprechweise.
Schreiberhand: 1; Hauptschreiber, Kursive
Autor: Keine Autorinformationen vorhanden.
Melodieaufzeichnung: Keine Melodie überliefert.
Notationstyp: –
Textabdruck
Ranke/Müller-Blattau (1927) – S. 248 [56]
Item.
Dat ſcholde en monnick vnd eyne baghyne
to ſamen leſen ere tide,
de monnick de was der frowde ghe meyn,
he taſtede der nünneken manck er beyn:
'leue her nunne, wo het iw lant,
dat is ſo rü vmme ſyne kant?'
"leue her monnick, ik en dars iw nicht noemen:
dat is de hilghe ſtat van rome.
De nunne [. . . . . . . .]
[. . .] [. . . . . .]
"he heft en platte alſo en pape [. . . .]ne
id is de hilghe pawes van rome.“
dar ghinck mund an mundelyn,
de pawes de vor to rome yn.
dar beghunden ſe to howen de kerüe,
de hilghe pawes de müſte vor deruen.
dar beghunden ſe de porte to ſluten,
de cardinale de bleuen dar buten.
Hefſtu de lyre, ik hebbe den ſlotel,
jk wil id clowen dar dy ioket.
dar machſtu ſupen henrik den lunckhart,
noch ſo wil he dor den bart
den hoytentroit vnd wriuen dar yn.
ik wet wol wat myn dochter wil:
enen ghuden harden pil,
dar ſe mede houeren wil.
Claussen (1919) – S. 44f.
Dar ſcholde en monnick vnde eyne baghyne
To ſamen leſen ere tide,
De monnick de was der frowde ghemeyn,
He taſtede der nunneken manck er beyn.
"Leve her nunne, wo het iuw lant
Dat is ſo ru umme ſyne kant?"
"Leve her monnick, ik en darf iuw nicht nomen,
Dat is de hilghe ſtat van rome."
De nunne:] He hefft en platte alſo en pape de krone,
Jd is de hilghe pawes van rome.
Dar ghinck nunnen an mundelyn,
De pawes de vor to rome yn,
Dar beghunden ſe to hewen de kerve,
De hilghe pawes de müſte vorderven,
Dar beghunden ſe de porte to ſluten.
De cardinale bleven dar buten.
Heffſtu de lyre, ik hebbe den ſlotel,
Jk wil id clowen, dar dy ioket,
Dat machſtu ſupen heurik den luckhart
Noch ſo wil he dor den bart,
Den hoytentroit vnde wriven dar yn,
Jk wet wol, wat myn dochter wil
Enen guden harden pil,
Dar ſe mede hoveren wil.
Sprachstand
H/N
RLB 27 ist mittelniederdeutsch mit nur sehr wenigen aussagekräftigen Varianten.
Nordnd. Prägung indiziert die Variante wo 'wie' (V. 5). Hingegen ist die Realisierung von nhd. 'müsste' als müste (V. 16) ein Kennzeichen der elbostf.-südmärk. Schreibsprachen, wo auf mnd. o1 bzw. ö1 nicht mit <o> bzw. <ö>, sondern mit <u> bzw. <ü> referiert wurde. Die Personalpronomen iw 'euer' (V. 6) und dy 'dir' (V. 20) schließlich, die auf der Grundlage des Dativ realisiert wurden, waren mit Ausnahme des Ostf. im ganzen mnd. Gebiet verbreitet. Bemerkenswert ist überdies schließlich die Form mundelyn 'Mund' (Diminutivum) (V. 14) mit hd. anstelle nd. Diminutivendung.
Liste der Kennformen
V. 5 | wo | 'wie' | Nordniederdeutsch (Peters 4.6.1.3.) |
V. 6 | iw | 'euer' | Nordniederdeutsch, Südmärkisch, Westfälisch (Peters 2.4) |
V. 14 | mundelyn | 'Mund' (Diminutivum) | Hochdeutsch |
V. 16 | müste | 'müsste' | Elbostfälisch, Südmärkisch (Peters 1.3.7.) |
V. 20 | dy | 'dir' | Nordniederdeutsch, Südmärkisch, Westfälisch (Peters 2.4) |
V. 24 | wol | 'wohl' | Nordniederdeutsch, Ostfälisch (Peters 4.6.4.4.) |
Einspielungen
Keine Einspielungen vorhanden.
Parallelüberlieferung
Keine Parallelüberlieferung bekannt.
Literatur
Alpers, Paul: Rezension zu: Rostocker Niederdeutsches Liederbuch vom Jahre 1478. Her. von Bruno Claussen, mit einer Auswahl der Melodien bearbeitet von Albert Thierfelder. Buchschmuck von Thuw Balzer 1919. Rostock, Hinstorff. In: Zeitschrift für deutsche Mundarten. 15. 1920. S. 186–187, hier: S. 187.
Beckers, Hartmut: Mittelniederdeutsche Literatur. Versuch einer Bestandsaufnahme (III). In: Niederdeutsches Wort. 19. 1979. S. 1–28, hier: S. 15.
B[olte], J[ohannes]: Rezension zu: Rostocker Niederdeutsches Liederbuch vom Jahre 1478, hsg. von Bruno Claussen, mit einer Auswahl der Melodien bearbeitet von Albert Thierfelder. Rostock, C. Hinstorff 1919. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. 30–32. 1920–1922. S. 28.
Classen, Albrecht: Deutsche Liederbücher des 15. und 16. Jahrhunderts. Münster [u.a.] 2001 (= Volksliedstudien. 1). S. 273.
Claussen, Bruno: Über den Fund eines niederdeutschen Liederbuchs aus dem Ende des 15. Jahrh. in Rostock. In: Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. 35. 1915. 2/3. S. 18–24, hier: S. 22.
Claussen, Bruno (Hrsg.): Rostocker niederdeutsches Liederbuch vom Jahre 1478. Herausgegeben von Bruno Claussen mit einer Auswahl der Melodien bearbeitet von Albert Thierfelder. Buchschmuck von Thuro Balzer. Rostock 1919. S. VIII, 44–45.
Daebeler, Hans Jürgen: Musiker und Musikpflege in Rostock von der Stadtgründung bis 1700. Dissertation der Hohen Philosophischen Fakultät der Universität Rostock. Rostock 1966. S. 182.
Herchert, Gaby: "Acker mir mein bestes Feld". Untersuchungen zu erotischen Liederbuchliedern des späten Mittelalters. Mit Wörterbuch und Textsammlung. Münster / New York 1996 (= Internationale Hochschulschriften. 201). S. 165–167, 195, 202–203, 207–208, 212, 300–301.
Heydeck, Kurt: Die mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Rostock. Beschrieben von Kurt Heydeck. Wiesbaden 2001 (= Kataloge der Universitätsbibliothek Rostock. Erster Band: Die mittelalterlichen Handschriften). S. 130, 437.
Holtorf, Arne: 'Rostocker Liederbuch'. In: Ruh, Kurt / Wachinger, Burghart (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begründet von Wolfgang Stammler, fortgeführt von Karl Langosch. Unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter herausgegeben von Kurt Ruh zusammen mit Gundolf Keil, Werner Schröder, Burghart Wachinger, Franz Josef Worstbrock. 2., völlig neu bearb. Aufl. Berlin / New York 1978–2008. Bd. 8. Sp. 253–257, hier: Sp. 257.
Holznagel, Franz-Josef: Das 'Rostocker Liederbuch' und seine neue kritische Edition. Unter Mitarbeit von Andreas Bieberstedt, Udo Kühne und Hartmut Möller. In: Niederdeutsches Jahrbuch. 133. 2010. S. 45–86, hier: S. 53 A. 27, 54.
Holznagel, Franz-Josef: Rostocker Liederbuch. In: Kühlmann, Wilhelm (Hrsg.): Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. 2., vollst. überarb. Aufl. Berlin / Boston 2008–2102. Band 10. 2011. S. 35–36, hier: S. 35–36.
Lietz, Hanno (Hrsg.): Bruno Claussen an der Universitätsbibliothek Rostock. 1912–1949. Rostock 1995 (= Veröffentlichungen der Universitätsbibliothek Rostock. 121). S. 57.
Malm, Mike: Rostocker Liederbuch. In: Achnitz, Wolfgang (Hrsg.): Deutsches Literatur-Lexikon. Das Mittelalter. Band 4. Lyrik und Dramatik. Mit einführenden Essays von Franz-Josef Holznagel und Klaus Vogelsang. Berlin / Boston 2012. Sp. 858–862, hier: Sp. 859.
Ranke, Friedrich / Müller-Blattau, Joseph M. (Hrsg.): Das Rostocker Liederbuch nach den Fragmenten der Handschrift neu herausgegeben von Friedrich Ranke und J. M. Müller-Blattau. Halle (Saale) 1927 (= Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft. Geisteswissenschaftliche Klasse. 4. Jahr. Heft 5), S. 195, 198–200, 248, 284.
Rieschel, Hanspeter: Die alten niederdeutschen Lieder des Rostocker Liederbuches. In: Deutsche Musikkultur. 3. 1938/1939. S. 472–477, hier: S. 477.
Schnitzler, Elisabeth: Das geistige und religiöse Leben Rostocks am Ausgang des Mittelalters. Berlin 1940 (= Historische Studien. 360). S. 83 A. 53.
S[eelmann], W[ilhelm]: Rezension zu: Rostocker Niederdeutsches Liederbuch v. J. 1478. Hrg. von Bruno Claussen. Mit einer Auswahl der Melodien bearb. von Alb. Thierfelder. Rostock, Hinstorffs Hofbuchdruckerei 1919. In: Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. 37. 1919/1921. S. 64.
Touber, Anthonius H.: Deutsche Strophenformen des Mittelalters. Stuttgart 1975 (= Repertorien zur deutschen Literaturgeschichte. 6). S. 39.
Wolter, Diana: Zur Gruppe der erotischen Schwanklieder im Rostocker Liederbuch. In: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft. 10. 1998. S. 419–431, hier: S. 425–431.