"Mit gantczem willen wunsch ich dyr"

Textinformationen

Nummer im RLB: 20 (Claussen: 19)

Blattnummer: 19r–20r

Texttyp: Register I – Werbelied (1.3.1)

Inhalt: Spätmittelalterliche Variante des Werbeliedes. Hier wird die Adresse an die geliebte Dame und die Beteuerung der Dienstergebenheit mit der Bitte um Huld verbunden.

Schreiberhand: 3; Bastarda

Autor: Keine Autorinformationen vorhanden.

Melodieaufzeichnung: keine Melodie überliefert

Notationstyp:

Textabdruck

Ranke/Müller-Blattau (1927) – S. 240f.

Sequitur aliud.

Mit gantczem willen wunſch ich dyr,
wan ich mich dir ergeben habe,
wan ergeſchit nach myner begir
vnnd ich gewaldichlichen ſtan
In dynem gebot
fru vnde ſpot,
so blibe ich din,
du libſts frawelin.
wan du wilt, so hilfſtu vß not.

Sind das gluck wil haben gunſt,
so hilff was ich begeren bin,
so darff ich anders keyne kunſt
vnnd were [. . . . . .]
[. . . . . .]
[. . . . . .]
wol vff geſell,
es wert wol gut.
sich ſtete trawe wol fynden sol.

Zart libeſte fraw, dar vff ich bauw
mit willen gantcz an vnderſcheit,
wolde das dyn gnade erkennen bas,
zo were myn trawren gantcz vol endt.
wan ich dich meyn
vnnd anders keyn,
du heſt alleyn
glueckes gewald vnde alles myn zuuerſicht,
das ich dir gan vnde anders nicht.

Claussen (1919) – S. 33f.

Mit gantzem willen wunſch ich dyr
Wan ich mich dir ergeben habe (han),
Wan es geſchit nach mynem begir
Und ich gewaldichlichen ſtan
Jn dynem gebot
Fru vnde ſpot,
Do blibe ich din,
Du libſtes frawelin,
Wan du wilt, ſo hilfſtu uß not.

Sind das gluck wil haben gunſt,
So hilff was ich begeren bin,
So darff ich anderes keyne kunſt
Und were [.................................]
[................................]
[................................]
[................................]
Es were wol gut
Sich ſtete trawe wol fynden ſol.

Zart libeſte fraw dar uff ich bauw
Mit willen gantz an vnderlas,
Wolde das dyn gnade erkennen bas,
Zo were myn trawren gantz vol endt,
Wan ich dich meyn
Vnde anders keyn
Du heſt alleyn
Glückes gewald vnde alles myn zuverſicht,
Das ich dir gan vnde anders nicht.

Sprachstand

H

RLB 20 ist hochdeutsch. Niederdeutsch ist die Graphie <tcz> (vgl. Lach § 330, II.), die der Schreiber bei gantczem 'ganzem' (V. 1) und gantcz 'ganz' (V. 20, 22) zur Wiedergabe der Affrikata /ts/ einsetzte. Dasselbe Phänomen kann auch bei RLB 19 und 21 beobachtet werden.

Einspielungen

Keine Einspielungen vorhanden.

Parallelüberlieferung

  • Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Mus. ms. 40 613 (Lochamer Liederbuch), S. 30
  • Fichards Liederbuch (verschollen), Abdruck: Fichard 1815, S. 255
  • München, Bayerische Staatsbibliothek: Cgm 379 (Augsburger Liederbuch), Bl. 156v–157r

Literatur

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Classen, Albrecht: Deutsche Liederbücher des 15. und 16. Jahrhunderts. Münster [u.a.] 2001 (= Volksliedstudien. 1). S. 270, 272.

Claussen, Bruno: Über den Fund eines niederdeutschen Liederbuchs aus dem Ende des 15. Jahrh. in Rostock. In: Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung. 35. 1915. 2/3. S. 18–24, hier: S. 23.

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Holznagel, Franz-Josef: Das 'Rostocker Liederbuch' und seine neue kritische Edition. Unter Mitarbeit von Andreas Bieberstedt, Udo Kühne und Hartmut Möller. In: Niederdeutsches Jahrbuch. 133. 2010. S. 45–86, hier: S. 50, 51 A. 23, 55.

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Holznagel, Franz-Josef: Songs and Identities. Handwritten Secular Songbooks in German-Speaking Areas of the Fifteenth and Sixteenth Centuries. In: Poel, Dieuwke van der / Grijp, Louis Peter / Anrooij, Wim van (Hrsg.): Identity, Intertextuality, and Performance in Early Modern Song Culture. Leiden, Boston 2016 (= Intersections. 43). S. 118-149, hier: S. 132-133.

Lietz, Hanno (Hrsg.): Bruno Claussen an der Universitätsbibliothek Rostock. 1912–1949. Rostock 1995 (= Veröffentlichungen der Universitätsbibliothek Rostock. 121). S. 57.

Petzsch, Christoph: Hofweisen der Zeit um 1500. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br. Freiburg i. Br. 1957. S. 25.

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Rohloff, Ernst: "Mit ganzem Willen wünsch ich dir". Neuer Vorschlag zur Textdeutung der einstimmigen Weise im Lochamer Liederbuch. In: Archiv für Musikwissenschaft. 13. 1956. S. 236–242, hier: S. 236 A. 3, 239–240.

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Sittig, Doris: Vyl wonders machet minne. Das deutsche Liebeslied in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Versuch einer Typologie. Göppingen 1987 (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik. 465). S. 39, 43, 57, 97–99, 365.

Spriewald, Ingeborg (Hrsg.): All mein Gedanken, die ich hab. Deutsche Lieder des 15. und 16. Jahrhunderts. Berlin 1982. S. 391–392, Anm. zu Lied 3.

Touber, Anthonius H.: Deutsche Strophenformen des Mittelalters. Stuttgart 1975 (= Repertorien zur deutschen Literaturgeschichte. 6). S. 39.